Foto: Axel B. on fire



Axel B’s XC Epos in fünf Akten

Auf der FlyFelice XC Advanced Tour unter der Leitung von Felix Wölk gelingt dem Teilnehmer Axel B ein 6,30h langes Streckenflug-Puzzle. Bis der längste Flug seines Lebens in den Irrgarten eines schwarzen Loches führt…

Achtung: Die folgenden Zeilen können Humor beinhalten.


Text: Felix Wölk, heute als „Capo“


High Noon in den venezianischen Voralpen. Fliegen ist eine Flucht vor tiefen Wolken, die wie Magnete alles ansaugen, was umherschwirrt. Vor einem Talsprung über den Wildfluss Piave, am Monte Cesen, liegt die Basis kaum 1200 Meter hoch. Hier zieht der Tourguide die Handbremse. Abwägend kreist er in den Nebelschwaden der Randbewölkung. Axel B’s Frontsilhouette erscheint im kalten Licht des Wolkenschattens. Seine Linie wirkt furchtlos, entschlossen und für alles bereit. Seit seinem Start vor zwei Stunden scheint ein echter Ridge Racer aus ihm geworden zu sein. Als sich beide an der Basis vor dem gähnenden Talwind-Blau des Flussbettes finden, quillt eine Thermik in den letzten Zügen - Ort und Zeit für eine Entscheidung. Rückkehr oder Risiko, Vollgas Boogaloo oder stabile Bumse… Der Capo funkt: „Es wird hart, dann härter. Wir halten uns an die auslaufenden Kondensationen und nehmen jeden Meter mit. Ausbauchend queren um dem Talwind zu entgehen. Mit Rückenwindkomponente wieder dem Berg annähern und dann was aufreißen.“ Es ist der Startschuss ins Ungewisse, und der Beginn des zweiten Aktes von Axel B’s XC Epos. Die beiden AirBuddies gleiten ins Stabile. Dorthin, wo es gilt gemeinsam zu überleben. Flügel an Flügel, in einer bittertiefen Arbeitshöhe. Auf der Suche nach weissen, richtungsweisenden Fetzen schweifen ihre Blicke vergeblich durch das Blau. Unter ihnen der heisse Wind, der stumpfe Absauftod, der das Wasser des Piave kabbeln lässt. Nach Überwindung des Talwindtrichters ist ihr Bodenabstand auf 150 Meter geschrumpft. Für die Buddies beginnt der Kampf schlagartig auf des Messers Schneide. Keine Taktik, keine Zahlen helfen hier. Instinkt und Schicksal entscheiden. Es heisst „all in“ im Absaufpoker. Das Wenige, was sie hier noch haben, setzen sie auf Sonneneinstrahlung. Mit der lausigen Flughöhe liegt nicht mehr als eine Karo Sieben blank. Über einer vorgelagerten Ackerlandschaft vermuten sie das glücksbringende Blatt. Auf dem Weg dorthin ein Funke Hoffnung: Luftwellen, wie sie im Lee von Thermiken verebben, erscheinen wie neckische Vorreiter des Zockerglücks. Sie lassen das Segel im Gegenwind aufbäumen. Der plumpe Tritt in den Beschleuniger ist die letzte Chance, um Karte Zwei des Spiels zu erblicken. Es zeigt sich eine Herz Sieben, als eine Blase wenige Sekunden lang das Segel trägt. Mit angehaltenem Atem und eisernem Schließmuskel bringt ein Vollkreis einen Meter Gewinn.. Ein fliegerischer Balanceakt auf einer unsichtbar aufsteigenden Kugel entblößt das Herz Ass: Die Blase hat Potenz! Sie gerät nun in die labile Schichtung der heissblütigen Gewitterlage, Kreuz Ass! Tschaka, Beckerfaust, Säge! Ein Versatz beim Zentrieren deckt die Karten vollends auf. Full House mit Pik Ass, ab jetzt heisst es beten… Gewaltiges Luftmassensteigen mit Klimawandelcharakter. Die Schleusen sind offen, und die Buddies zurück im Spiel.

Vorhang auf für den dritten Akt: Er beginnt unter den Ausläufern einer drohenden Überentwicklung, die den Monte Grappa im Norden verschluckt. Als der vertikale Luftstrom die Buddies in die Höhe katapultiert spricht der Capo: „Wir knabbern den schimmeligen Blumenkohl am Südrand stetig an und nutzen die Aufwinde im Geradeausflug. So, dass wir immer Sicht haben. Wenn der Fluchtweg Richtung Ebene zumacht hat der Spass ein Loch“. Am Monte Grappa, der nun rechts vorbeizieht, ist kaum noch Flugbetrieb. Zu schwarz, zu tief, zu gross ist die Kondensation eines enormen Cumuluskolosses, der auf den italienischen Voralpen brütet. Im eleganten Delphinflug spielen die Buddies mit dem Beschleuniger. Auf ihrem Ritt nach Westen durchschneiden Ihre Flügel blendend helle Kondensationen. In watteweissen Nischen spaltet sich darin das Sonnenlicht in seine Spektralfarben. Es verzaubert Raum in fantastische, ungreifbare Lichtspiele, die sich erst verflüchtigen, als Tiefblicke durch Wolkenfenster wieder schaurig klaffen. Die Flügel der Buddies durchschneiden eine Traumwelt. Sie entfachen wilde Nebelwalzen, die sich hinter ihnen wie Raubkatzen ineinander verschlingen. Sie scheinen die aufgebrachte Vorhut einer ungeheuerlichen Masse zu sein, die kurz vor dem Erwachen steht. In der Ferne, nicht weit entfernt vom Herzen des Ungetüms, lassen sich verlorene Gleitschirme erkennen, die mit angelegten Ohren manövrierunfähig im hungrigen Grau verschwinden - ein jämmerlicher Anblick, der den Capo in seinem ästhetischen Empfinden stört. Er rätselt: Sind dort keine menschlichen Sinne im Gebrauch? Mag es gar sein, dass ein helmisoliertes Haupt so lange auf einen elektronischen Taschendudelsack blickt, bis es zappenduster ist? Über Bassano del Grappa ist es heute einsam in der Luft, denn auch das schwarze Monster scheint erboßt ob des Anblicks und jagt Furcht ins Gebein. Schon hebt es seine Schultern, reckt den finsteren Buckel, um bald mit erhobenem Haupt seinen Zorn niederzuschmettern. So bleibt auch für die Buddies nur die Flucht in das venezianische Flachland. Die Labilität im Gebirge wirkt, als überschreite sie eine gefährliche Schwelle…

Der Gong eröffnet den vierten Akt. Es ist Axel B’s Schlag zum Gleitschirm Ritter. Auf dem Flug in bislang sichere Flachlandgefilde verursacht der Sog der Überentwicklung eine thermische Durststrecke im Gegenwind. Im Flachland angekommen, jagt ein qualvoller Lowsafe den nächsten. Abschattungen lassen Thermiken auf halber Höhe verhungern, starke Luftströmung nährt die alpine Überentwicklung und verunstaltet jegliche Aufwindform. Schliesslich erstickt Talwind die Thermiken im Keim, denn das Piavetal saugt die Luft an wie der Mond das Meer. Fliegen ist quälendes Gekreise bis zum Schwindel. Es gleicht einer Aufschiebung der Galgenfrist. Doch immer dann, wenn die Idee der Kapitulation den müden Geist ergreift, wirft Petrus einen Penny in die Jukebox. Er spielt ein sardistisches Spiel mit den Buddies, die sich auf ihrem Heimweg darin aufarbeiten. Es muss Bacchus sein, der Gott des Weines, der ihn maßregelt und nun eingreift. Über den hellgrünen Trauben der Rebenlandschaft von Valdobbiadene lässt der göttliche Partylöwe nochmal so richtig die Sonne rein. Nach 6 Stunden Flug sprudelt es ein letztes Mal an die Wolkenbasis. Hier scheint sich eine fremde Radiowelle den Weg in das Funkgerät des Capo zu bahnen. Ihm wird warm ums Herz. Es sind die Position-Updates des FlyFelice Schlemmershuttles. Ganz nah hat es sich in den lieblichen Hügeln des D.O.C. Perlwein Anbaugebietes stationiert - in Warteposition, um mit den tapferen Heimkehrern umgehend in ein exquisites Abendprogramm zu starten. „Maximale Basis, und dann heim“ ist wohl der letzte Funkspruch des Capo, den Axel B noch vernimmt. Doch kam er zu spät und traf ins Leere. Axel B wurde bereits heimgesucht. Auf letzter Rille hatte eine dunkle Macht Besitz ergriffen: „Das schwarze Loch“. Es muss aus Nebel bestehen, aus Zahlen- und Steigtonfragmenten, vielleicht aus einem Strudel von Weinreben, Telefonleitungen und Dachziegeln. Im Tiefflug blitzt ein Segel auf. „Strasse sperren?“ funkt das Schlemmershuttle geistesgegenwärtig. „Strasse sperren!“ funkt der verdurstende Capo aus einer Vorort-Ackerfurche, die er seit 5 Minuten bewässert. Dann herrscht bedrückende Stille. Keine Antwort. No response von AirBuddie Axel. Plötzlich verdunkeln schwarze Wolkentürme den Himmel. Sie werfen grabsteinartige Schatten. Aus dem Nichts fällt ein eisiger Windstoss über das Land. Der Gesang der Amsel verstummt, und die Schwalben sind fort. Fahles Unbehagen geht auf Erden nieder. Der Mantel der Ewigkeit scheint sich zu senken. Als das Funkgerät wie aus dem Jenseits spricht, packt den Capo kalter Schauder. Es ist die Stimme des Axel B, und sie hallt aus der Tiefe des schwarzen Loches… „Ich bin unten.“ Drei Worte. Eine Gewissheit. Der Vorhang wird sich zu Akt Fünf wieder öffnen. Zu Pauken und Trompeten wird das Landebier golden leuchten. Es wird zu orchestralem Getöse die Rachen der AirBuddies hinabstürzen und alles, alles ist gut.

F.W.